Er erinnere sich nicht mehr an Mettingen, räumte Thomas Gsella am Freitagabend ein, doch dank des von ihm signierten Beweisbuches, das ihm ein Besucher gezeigt habe, wisse er, dass er schon einmal auf Einladung des Fördervereins Schultenhof Mettingen zu Gast gewesen sei. Im November 2013 war das, und der Vereinsvorsitzende Peter Hillenkamp freute sich ein gutes Jahrzehnt später, den ehemaligen „Titanic“-Chefredakteur erneut begrüßen zu können.
Unter dem Titel „Ich zahl’s euch reim“ gab Gsella Einblick in sein Schaffen, unter anderem für das „Schweizer Magazin“, das Hamburger Magazin „konkret“ und den „Stern“. Für Letzteren nach eigenem Bekunden „nicht mehr so gern, seit er an RTL verkauft worden ist“.
1200 Gedichte kündigte Thomas Gsella seinem Publikum an und legte los, bevor dieses sich entschieden hatte, ob es die Vorgabe als Drohung oder Versprechen verstehen wollte. Die Verse kamen mal leise und hintergründig, mal lauter und unmissverständlich daher. Sie waren oft ernst und klangen heiter, verleiteten zum Schmunzeln oder auch zum Lachen, auch wenn Letzteres oft im Hals steckenblieb.
Da bekamen alle ihr Fett weg, die „Einschlafhilfe Olaf Scholz“ ebenso wie Hubert Aiwanger „von der bayrischen NSDAP“. Besonders die Liberalen, „die vorletzte Generation“, waren Gsella ein Dorn im Auge. Der FDP-Mann Volker Wissing und alle Verkehrsminister vor ihm titulierte der Mann, der sich selber als „Reimer“ bezeichnete, als „Minister für Tod im Verkehr“, weil sie ein Tempolimit auf Autobahnen verhinderten. Gsella zeigte hinter sich im großen Großformat ein Foto seiner Schwester und seiner Nichte, die vor acht Jahren tödlich verunglückt waren, weil ein Raser sie von der Straße gefegt hatte. Den Frauen und Männern im Publikum stockte an dieser Stelle der Atem, und der oder die eine oder andere fragte sich, wie Gsella im Programm fortfahren konnte.
Er konnte und nahm weiter den Verkehr in Deutschland aufs Korn. Ob das Auto als liebstes Kind der Deutschen („Das dicke weiße Auto und sein Mann“), E‑Bike oder E‑Roller und natürlich die Deutsche Bahn inklusive der Boni für die Vorstände. „Ein Zug war prima, fein, und steckte sich die Boni rein“.
Auch an den Kommentatoren von Fußballspielen arbeitete sich Thomas Gsella ab. Der Erfolg seines Buches „So werde ich Heribert Faßbender“ habe ihn überrascht. Er finde es sehr langweilig, versicherte er, amüsierte sich aber nach wie vor über die Sammlung der Versprecher von Faßbender und Co. Ob „Da geht er, ein großer Spieler, ein Mann wie Steffi Graf“, „Die Schweden sind keine Holländer, das hat man ganz genau gesehen“ oder „Die Bulgaren wärmen einen Spieler auf“, da hieß es nach ernsten Themen wie Organhandel oder im Mittelmeer ertrunkener und ertrinkender Geflüchteter im Publikum wieder durchatmen.
Knapp zwei Stunden lang präsentierte Thomas Gsella seine Gedichte – 1200 wurden es dann doch nicht – in schneller Folge und ließ es sich im Anschluss nicht nehmen, Bücher zu signieren. „Zum Beweis, dass ich da war“.