17.02.2024: Wil­fried Schmick­ler: “Es hört nicht auf”

Wil­fried Schmick­ler
„Es hört nicht auf“

Was sind das für Zei­ten, wo ein harm­lo­ser Witz über ein Pferd vor der Apo­the­ke schon fast ein Ver­bre­chen ist, weil er ein Schwei­gen über so viel Elend in der Welt mit­ein­schließt? Das Kli­ma ist eine Kata­stro­phe, die hadern­de Her­de steht im Impf-Stau, und der Krieg bean­sprucht die Vater­schaft über alle Din­ge. Extrem-Nie­der­schlä­ge, Infek­ti­ons-Wel­len, Bom­ben-Regen – es hört nicht auf. 

Und genau des­halb hört er auch nicht auf. Wil­fried Schmick­ler, seit 44 Jah­ren Rei­sen­der in Sachen Ver­freund­li­chung der Welt, tut, was er kann: seri­ös unter­hal­ten, gut gelaunt rum­nör­geln, abend­fül­lend auf­hei­tern. 110 Minu­ten „picke-packe-voll“ (A. Zeig­ler) mit Text-Kas­ka­den, Schmäh-Tira­den und Spott-Gesän­gen, die immer mal wie­der ange­rei­chert wer­den mit dem Zwi­schen­ton der Poe­sie. (aus www.wilfriedschmickler.de).

Von 1992 bis 2020 war Schmick­ler stän­di­ger Mit­wir­ken­der der WDR-Kaba­retts­en­dung „Mitternachtsspitzen“.Alles in allem ein grö­ße­res Ver­gnü­gen, bei dem kein Lachen im Hal­se ste­cken bleibt. In die­sem Sin­ne: steht ein Pferd vor der Apotheke…

 

Pres­se­be­richt
Spit­ze Zun­ge und bei­ßen­der Spott

Der För­der­ver­ein Schul­ten­hof hat am Sams­tag die neue Sai­son vor aus­ver­kauf­tem Haus begon­nen: Der Kaba­ret­tist Wil­fried Schmick­ler lie­fer­te eine bei­ßen­de Par­odie auf den aktu­el­len Poli­tik­be­trieb und nahm sich rech­te Paro­len zur Brust.

Von Olaf Wien­brack
Mett­in­gen · Sonn­tag, 18.02.2024 — 14:00 Uhr
Der Kabarettist Wilfried Schmickler war mit seinem Programm „Es hört nicht auf“ im Schultenhof zu Gast. Mit gewohnt spitzer Zunge nahm er Politik und Gesellschaft aufs Korn.

Der Kaba­ret­tist Wil­fried Schmick­ler war mit sei­nem Pro­gramm „Es hört nicht auf“ im Schul­ten­hof zu Gast. Mit gewohnt spit­zer Zun­ge nahm er Poli­tik und Gesell­schaft aufs Korn. | Foto: Olaf Wienbrack

Vol­les Haus zum Start in ein kul­tu­rell prall gefüll­tes Jahr: Peter Hil­len­kamp, Vor­sit­zen­der des För­der­ver­eins Schul­ten­hof, begrüß­te am Sams­tag das Publi­kum im rest­los aus­ver­kauf­ten Schul­ten­hof zu Wil­fried Schmick­lers Pro­gramm „Es hört nicht auf“. Den seit 44 Jah­ren in Sachen Iro­nie, Gro­tes­ke und Humor akti­ven Künst­ler hat­te der För­der­ver­ein schon lan­ge auf dem Wunsch­zet­tel. Den Künst­ler kün­dig­te Hil­len­kamp als „wun­der­ba­ren Kaba­ret­tis­ten mit spit­zer Zun­ge“ an.


Die­se spit­ze Zun­ge stell­te Schmick­ler sofort zu Beginn beim Ver­le­sen des „gemein­sa­men Gruß­wor­tes des Bun­des­kanz­lers, des Bun­des­prä­si­den­ten und aller Minis­ter­prä­si­den­ten“ unter Beweis. Zusam­men anpa­cken, zusam­men unter­ha­ken — das war die fik­ti­ve Bot­schaft aller Spit­zen­po­li­ti­ker. Mit vie­len gro­ßen Wor­ten gelang es Schmick­ler ein „Nichts“ aus­zu­drü­cken – wohl ähn­lich wie im rich­ti­gen Leben. Bei dem Satz „es wird eine gute Zeit, wenn sie gut wird“ konn­te sich das Publi­kum kaum noch vor Lachen hal­ten. Die Poin­ten des Gruß­wor­tes gip­fel­ten in dem Satz: „Wenn sich alle Träu­me in Luft auf­ge­löst haben, geht es wei­ter“ — was für gro­ßes Geläch­ter sorg­te. Man­chem Gast blieb das Lachen ange­sichts der aktu­el­len Situa­ti­on fast im Hal­se ste­cken — genau das soll Kaba­rett ja auch bewirken.

Polit­pro­mi­nenz kriegt ihr Fett weg

Schmick­ler nahm sich die gesam­te Polit­pro­mi­nenz zur Brust. Zu Armin Laschet mein­te er ans Publi­kum gewandt: „Den wer­den Sie wohl nicht mehr ken­nen.“ Bei Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg frag­te sich Schmick­ler, wel­chen Dok­tor­ti­tel der Mann denn habe. „Bei so viel Pud­ding in der Bir­ne kann es ja wohl nur ein Dok­tor Oet­ker sein“. Gif­fey bezeich­ne­te er als „Eier­tanz­leh­re­rin aus Ber­lin“. Der nord­rhein-west­fä­li­sche Minis­ter­prä­si­dent Wüst wur­de im Pro­gramm zum Honig­ku­chen­mann im Kon­fir­ma­ti­ons­an­zug. Der Kanz­ler bekam sein Fett in einem Lied — dem „Olaf Song“ — weg. „Wei­ter, immer wei­ter“ waren die wie­der­keh­ren­den Auf­for­de­run­gen in dem Song, der in der Aus­sa­ge gip­fel­te: „Wenn wir mit dem Latein am Ende sind, machen wir mit Grie­chisch wei­ter“.
Schmick­ler blick­te mit einem humo­ris­ti­schen Augen­zwin­kern eben­falls auf die für Künst­ler schwie­ri­ge Coro­na-Pan­de­mie zurück. Dabei gab er zum Bes­ten, was er per­sön­lich in der Zeit gemacht habe. Wochen­lang sei er mit einem Helm in der Woh­nung her­um­ge­lau­fen — weil ihm die Decke auf den Kopf fiel.
In sei­ner Ver­zweif­lung habe er sein Tele­fon­buch durch­ge­wählt, um Kon­takt zu ande­ren zu haben. Das Publi­kum konn­te Schmick­ler nur bei­pflich­ten, als er als Fazit aus der Pan­de­mie fest­hielt: „Man brauch­te nicht nur Des­in­fek­ti­ons­spen­der. Man brauch­te auch Trostspender.“

Rech­te Paro­len, Kli­ma­kri­se und Umweltzerstörung

Mit der Unzu­frie­den­heit vie­ler Men­schen in den neu­en Bun­des­län­dern rech­ne­te Schmick­ler in sei­nem „Brief an die Ost­deut­schen“ ab. Er bezog immer wie­der Posi­ti­on gegen rech­te Ten­den­zen in unse­rer Gesell­schaft. „Brau­ne Pest“ nann­te er die Füh­rung der AfD. Er ver­deut­lich­te dem Publi­kum, wie dreis­te Lügen als Wahr­heit ver­kauft wür­den. Ins­be­son­de­re Höcke und Chrup­al­la nahm er ins Visier und schloss mit dem Rudi-Assau­er-Zitat: „Erst wenn der Schnee schmilzt, sieht man, wo die Schei­ße sitzt“.

Nach der Pau­se wid­me­te sich Schmick­ler den The­men Kli­ma­ka­ta­stro­phe und Umwelt­schä­di­gung. Er hielt dabei jedem ein Stück weit den Spie­gel vor, als er dar­an erin­ner­te, dass in Deutsch­land jähr­lich vie­le Mil­lio­nen Ton­nen Lebens­mit­tel weg­ge­wor­fen und ver­schwen­det wer­den. Bis zu 80 Kilo­gramm wer­fe jeder Deut­sche im Schnitt in den Müll. Zu die­ser Gesell­schafts­kri­tik pass­te Schmick­lers Gedicht „Die Gier“ wie die sprich­wört­li­che Faust aufs Auge. Es beginnt mit der Fra­ge­stel­lung „Was ist das für ein Tier, die Gier? Es frisst in mir und frisst in Dir. Will mehr und mehr und frisst uns leer.“ Zur Gier gesel­len sich im Gedicht – wie im wah­ren Leben – Neid und Hass.


In sei­nem Schluss­wort for­der­te der Kaba­ret­tist sein Publi­kum auf, Posi­ti­on gegen rech­te Paro­len zu bezie­hen. Frie­den, Gerech­tig­keit, Soli­da­ri­tät, Respekt und Tole­ranz sind die Eigen­schaf­ten, die er der Gesell­schaft all­ge­mein – an die­sem Abend expli­zit aber dem Mett­in­ger Publi­kum – abfor­dert. „Edel sei der Mensch, hilf­reich und gut“.