Wenn die Schweiz auf Brandenburg trifft, prallen Welten aufeinander. Von seinem Umzug vom Domizil mit Ausblick in 1000 Metern Höhe ins flache Land rund um Berlin und dem Ankommen im Weiler Amerika Anfang der 2000-Jahre berichtete Schauspieler, Autor und Moderator Max, damals noch Dieter, Moor in seinem Buch „Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht. Geschichten aus der arschlochfreien Zone“. Am Freitag ließ er auf Einladung des Fördervereins Schultenhof Mettingen sein Publikum in der Diele an seinen Erfahrungen teilhaben und traf sofort den Nerv der Menschen, die es sichtlich und hörbar genossen, nach der langen Corona-Pause endlich wieder Kulturveranstaltungen besuchen zu können.
Von der Entscheidung „Ich muss hier weg“ bis zur Ankunft in Brandenburg war es ein langer Weg, nicht nur in Kilometern, den Moor genüsslich Revue passieren lässt. Er steckt dabei in einem Dauer-Dilemma, steht ihm doch „der kleine Schweizer in mir“ ständig im Weg, wenn es darum geht, scheinbar ausweglose Situationen wie gesperrte Brücken oder an Pünktlichkeit scheiternde Terminvereinbarungen zu meistern. Denn was die Klischees über die Schweiz angeht: „Manche stimmen nicht, viele schon“. Und da kommt Moor als in Sachen Entscheidungsfreude zögerlicher, aber wortreicher Schweizer („Wenn es dir denn passen würde…“) immer wieder an seine Grenzen, gar in Verzweiflung, wenn er mit den wortkargen, aber nicht lange zaudernden Brandenburgern („Jo!“) zu tun bekommt. Kommt sie etwa vom langjährigen „Haare raufen“, die Frisur, mit der Moor am Freitag in Mettingen auf der Bühne steht?
Erste Begegnungen
Jedenfalls stehen des Schweizers erste Begegnungen, egal ob mit Bauer Müsebeck oder Dorfladenbesitzerin Widdel, zunächst unter keinem guten Stern. Lässt der Bauer den zugereisten Alpenvorländer mit seinem Schweigen auflaufen, hält ihn Frau Widdel („mit dem Gesicht einer Frau, die schon lange nicht mehr träumt“), im Laden an der kurzen Leine, bis sich bei ihm endlich die Erkenntnis Bahn bricht, dass Brötchen nicht „Strippen“, sondern „Schrippen“ heißen.
Dass Moor das alles unbeschadet übersteht, hat er wohl auch seiner Ehefrau Sonja zu verdanken, die am Freitag zwar nicht vor Ort ist, aber neben Amerika, das so ganz anders ist als die „Schlafdörfer“ in der Umgebung, die Hauptperson ist. Ob die Ankunft in der neuen Heimat oder der Kontakt zu den Menschen dort, ihr, der Österreicherin, scheint all das mühelos zu gelingen, was dem „kleinen Schweizer“ im knapp zwei Meter großen Neu-Brandenburger verwehrt bleibt. Und doch muss sich das Paar aus den benachbarten Alpenländern die Frage gefallen lassen, warum sie denn „da weg mussten“.
Moor begeistert sein Publikum mit seinem Temperament und der Lebendigkeit, mit denen er die Dissonanzen zwischen seinen beiden Welten beschreibt. Dabei scheut er sich nicht, sich selbst auf die Schippe zu nehmen, wenn er, der nie einen Tanzkursus absolviert hat und sich seiner Wirkung als verständnisvoller Gesprächspartner sicher zu sein glaubt, einem „Tanzparkett-Casanova“ das Feld überlassen muss, der die Angebetete en passant und im Tanzschritt entführt, die in Moor nur noch den „ganz wertvollen lieben Menschen“ sieht.
Kategorie 1a plus
Dass es ihm dennoch gelingt, eine Frau „der Kategorie 1a plus“ zu erobern, steht auf einem anderen Blatt. Und dass diese Frau ihm am Ende sogar das Fällen der Tanne verzeiht, dem sie sich zuvor verweigert hat, ist einmal mehr der Beweis dafür, dass es die Richtige ist.
Richtig gut war auch die Unterhaltung, die Max Moor auf die Bühne brachte. Dafür gab’s vom Publikum jede Menge Applaus und vom Veranstalter ein Dankeschön für den Besuch. Es war der erste Termin im Jahreskalender des Fördervereins, und der Vorsitzende Peter Hillenkamp zeigte sich zuversichtlich, dass 2023 ein störungsfreies Kulturjahr werden wird.