Sehnsuchtsvolle Tangolieder, rasante Klezmermusik, dazu ein Schuss Folklore: Das alles boten das Trio Picon und die Geigerin Asal Karimi am Freitag auf dem Schultenhof. Mit diesem Ensemble hatte der Förderverein Mettinger Schultenhof wieder einmal einen Volltreffer gelandet, denn das Quartett begeisterte bei seinem Konzert jiddischer Musik auch mit bewundernswertem Schwung und musikalischer Leichtigkeit. Immer wieder strahlte es die grenzenlose Lebenslust und unerschütterliche Hoffnung aus, von der diese Musik geprägt ist.
Die Gruppe eröffnete den Abend mit einem dramatischen Tangolied der jiddisch-amerikanischen Songwriterin Molly Picon, die sich das Trio wegen ihrer unermüdlichen Energie und Zuversicht zur Namenspatin gewählt hat. Molly und das Trio Picon haben ihre Wurzeln in Osteuropa und sind mit jiddischer Kultur und Tradition bestens vertraut, und das vermittelte das Ensemble höchst unterhaltsam. Die Bandleaderin Ramona Kozma unterstrich ihren ausdrucksvollen Gesang in jiddischer, polnischer und sogar türkischer Sprache selbst mit den passenden Klängen auf dem Akkordeon. Die melodische und rhythmische Begleitung übernahmen Hannah Heuking (Klarinette) und Michael Zimmermann (Helikon-Tuba).
Natürlich drehte sich viel um die Liebe – wenn sie grenzenlos begeistert und wenn sie unerfüllt bleibt. Im Laufe des Abends verdichteten sich die Aussagekraft der Texte und die Intensität der Musik, entsprechend wuchs die Begeisterung des Publikums. Bei der nun auch ausführlicheren Moderation erfuhren die Besucher so manches über die Nöte und das Brauchtum der Juden im 20. Jahrhundert in Warschau, Buenos Aires, New York und Istanbul.
Dabei lebte dieses Konzert auch durch viel musikalische Abwechslung, mal sang Heuking zusätzlich zu ihrem Spiel, mal vermittelte Karimi einen Hauch iranischen Lebensgefühls, das man nur auf der persischen Kamantsche ausdrücken könne. Oder Zimmermann wechselte von seiner gewaltigen Tuba zur zarten Ukulele, seinem kleinen Schätzchen.
Nur Kozma blieb dem Akkordeon und ihrer prächtigen Stimme treu und bot dabei eine fantastische Bühnenpräsenz. Da gab es nicht nur einmal den passenden Augenaufschlag, etwa als im Lied ein Liebhaber seine Treueschwüre bricht und die Verlassene ihm nicht einmal böse sein kann: „Ich hab dich zu viel lieb“. Ein andermal fügte die Sängerin in den traditionellen Song eine weitere Strophe ein: „Wenn man Geld hat, hat man alles. Man ist schön, obwohl man vorher hässlich war / man ist klug, obwohl man vorher dumm war / man kann Präsident werden – in Amerika, hab ich mir sagen lassen.“
Die Begeisterung der fast 100 Besucher war gewaltig. Als sich Heuking am Ende des Konzerts als gebürtige Mettingerin outete, gab es endgültig kein Halten mehr. So überredete das Publikum die Spieler auch nach der Zugabe noch zu einem „allerletzten Stück“. Trotz aller historischen und aktuellen Probleme ging es guten Mutes nach Hause. Ein grandioser Abend.